Am vergangenen Wochenende war Frühlingsanfang. Und Regen. Deswegen habe ich Spiegel TV geguckt. Auf dem iPad, weil ich ja gar keinen Fernseher habe. Da lief eine Reportage des ORF mit dem Titel “Die Kunst der Auto-Erotik” und dem Untertitel “Skurrile Autosammler und Liebhaber”. (Link am Ende dieses Blogposts!)
Bei der Reportage geht es um Leute wie mich (und Euch!), die sehr an ihrem Oldtimer-Schatz hängen. Oder doch nicht? Denn sie alle sprechen von “Liebe”, wenn es ums Auto geht. Und das scheint eher noch untertrieben.
Wer hat die längste … Motorhaube?
Da ist die Sekretärin mit dem Ferrari (“Ein Auto ist besser, als ein Mann”), die fünfzehn Jahre lang auf einen roten Ferrari 348 TS sparte, um ihn dann in die komplett rot angestrichene Garage zu stellen. Sie holt ihn dort “drei bis fünf mal im Jahr” raus. Das Auto kostet sie die Hälfte ihres Jahresnettos und eine Wagenreinigung dauert bei ihr vier Stunden. Doch das ist egal. Man kann den Ferrari nämlich im Gegensatz zum Mann … abstellen. Jawohl. In der Garage. Praktisch. Ihr Schlafzimmer hat sie derweil mit allerlei pittoresken Ferrari Devotionalien dekoriert. Geschmack ist, wenn man´s trotzdem macht.
Eine “interessante Schwanzverlängerung”
Da ist dann noch der “Garten und Vegetationstechniker” mit der Jaguar Sammlung, der betont, dass der Jaguar E-Type Serie 2, das “geilste Auto der Welt” sei. Er habe schließlich die “längste Motorhaube” der Automobilgeschichte und sei daher “eine interessante Schwanzverlängerung”. Ich spule zurück. Er sagt das wirklich. Und er ergänzt, dass man halt nur aufpassen muss im Straßenverkehr mit der Haube. Das ist “wie bei allen Dingen, die zu weit vorstehen”.
Nicht zu vergesssen der Geschäftsmann mit den drei Garagen, der darüber sinniert, was denn wohl die Jungs vom Rat-Pack (Sammie Davis jr. und so) seinerzeit in seinem Ferrari so getrieben haben. “I´ve got you under my skin”, spült (wir sind in Österreich) dabei das Autoradio. “Wenn ein berühmter Mann eine berühmte erfolgreiche Frau kennenlernt … muss er etwas vorweisen, was ihn hervorhebt.” Einen Ferrari. Aha.
Die Reportage erreicht ihren undiskutierbaren Höhepunkt (sic!) mit dem Pärchen, das sich erst in der Tiefgarage vor dem Amischlitten streitet, danach die Liegesitze testet und insgesamt den Eindruck erweckt, einer zu Recht komplett zensierten “Kottan” Folge entsprungen zu sein. Spätestens die beiden hätten den Oscar für die beste schauspielerische Leistung und Maske verdient.
Im Auto-Swinger-Club?
Bei so viel Auto-Erotik wird die Frau hellhörig. “Geht es da um Swingerclubs??”, meint sie und reckte den Hals Richtung iPad. Ich halte ihr die Szene mit dem Paar in der Tiefgarage im Straßenkreuzer vor die Nase. “Wie sind die denn drauf??” Die Frau wirkt ein wenig geschockt und tätschelt dann meinen Kopf: “Du bist nicht so!”
Bin ich nicht.
Oder doch?
Et tu, Brute?
Spätestens nach 15 Minuten “Auto-Erotik” macht sich in mir als Oldtimer-Fanatiker leichte Unsicherheit breit. Auch ich sitze manchmal einfach da und gucke meinen 65er an, weil er so schön ist. Auch ich verfalle in ausschweifende Monologe wenn jemand so wahnsinnig ist, mich nach meinem Auto zu fragen.
Bin ich auch schon so ein sabbernder Freak? Bin ich ein pathologischer Auto-Erotiker? Kann ich das überhaupt noch beurteilen, ohne meinen Psychologen zu fragen? Und habe ich überhaupt einen Psychologen?
Der klare Blick und die Sache mit dem Benzindämpfen.
Den Akteuren von “Auto-Erotik” jedenfalls scheint der klare Blick auf die Sache Auto zusammen mit jeder Art von Selbstkritik vor langer Zeit völlig entglitten zu sein. Für sie ist das Auto nicht mehr nur kultiges Fortbewegungsmittel oder geliebter Oldtimer. Sämtliche Protagonisten leben den ölfeuchten Traum der vierrädrigen Körperteilverlängerung ungeniert und ohne Hemmungen aus. Das muss für sie so befreiend sein, wie es für den Zuseher erschreckend ist.
Der wendet sich entweder schnellstmöglich ab oder schaut gespannt bis zum bitteren Ende weiter. Wartend auf die rettende Auflösung und den Hinweis, dass alles (ätsch) nur gespielt ist.
Doch – Achtung Spoiler: “Auto-Erotik” spielt im echten österreichischen Leben.
Respekt
Respekt muss man den Machern der Doku zollen. Die Zusammenstellung der Auto-Erotiker ist exquisit und würde jedes Panoptikum füllen. Das Ganze ist so packend in Szene gesetzt, wie eine größere Massenkarambolage auf der Autobahn. Mann kann nicht weggucken kann obwohl man sich die ganze Zeit über fremdschämt.
Sehenswert: http://www.spiegel.tv/filme/orf-kunst-der-autoerotik-skurrile-autoliebhaber
Danach sollte man ein zwei Stunden was auf Arte gucken oder ein Kapitel Goethe lesen. Ich habe diesen Beitrag übrigens in der Kategorie “Verkehr und andere Katastrophen” untergebracht. Nichts hat in die Kategorie jemals so gut reingepasst.
(aus teil-der-maschine.de)